Um den Paradigmenwechsel von separierenden zu inkludierenden Musiziermöglichkeiten aufzuzeigen und diesen wechselseitig sich befruchtenden Prozess in Bezug auf gemeinsames Musikmachen intensiver anzustoßen sowie auch das Bewusstsein dafür zu stärken, traf sich alljährlich aus mehreren Bundesländern eine Gruppe von Ausbildner*innen im Bereich Musikpädagogik, RhythmikMB und Bewegungspädagogik seit nunmehr 10 Jahren zu einem Sommergespräch. Sie haben sich im Sommer 2019 als Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, um sich in der aktuellen Situation im Jahr 2021 (Erstellung des österreichischen Nationalen Aktionsplans 2022–2030 und Coronarestriktionen) bezüglich inklusiven Musizierens engmaschiger auszutauschen.
Konkreter Anlass war der Appell des Vorstandes des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM) im März 2020 anlässlich der Coronasituation: Er verwies auf die bereits 2014 in der Potsdamer Erklärung eingegangene Verpflichtung der deutschen Musikschulen zu Inklusion und appellierte an die Kolleg*innenschaft speziell auf jene vulnerablen und marginalisierten Menschen in den Musikschulen zu achten, die im besonderen Maß von den Restriktionen und dem Verlust des Musizierens betroffen sind.
Haben in Österreich alle Menschen das Recht und die Möglichkeit Musikmachen und andere mit Musik verbundene Künste lernen zu können und am Musikleben der Gesellschaft gleichberechtigt teilhaft zu sein? Sind mit alle auch wirklich ALLE gemeint, also auch solche, die Unterstützung, andere Methoden, andere Zugänge und Rahmenbedingungen brauchen – wie dies eben für Menschen mit Behinderung zutrifft? Bleibt es der Einstellung von zuständigen Personen überlassen, ob Institutionen sich für inklusives Musizieren öffnen? Hängt es vom Engagement der Menschen mit Behinderung selbst oder ihren Bezugspersonen ab, ob aktive Beteiligung in einem Ensemble oder überhaupt das Lernen von Musikmachen und anderer mit Musik verbundener Künste möglich ist?
Diese Fragen bewegten die Kerngruppe der Interessengemeinschaft. Vom Sommer 2020 bis in den Sommer 2021 wurde ein Referenzdokument, das Impulspapier MUSIK INKLUSIV in Österreich, erarbeitet, das angelehnt an die Potsdamer Erklärung die Forderung für inklusive Musik über die Musikschulen hinaus auch auf die Ausbildungsinstitutionen und den musikalischen Freizeit- und Performancebereich beziehen will.
Die Interessengemeinschaft sieht Inklusion als gesellschaftlichen Bildungsauftrag für die Zukunft und betont besonders das Recht auf qualitativ hochwertige, den Fähigkeiten und Bedürfnissen entsprechende Lernsituationen. Sie versteht unter „Musik“ auch alle damit verbundenen Ausdrucksformen wie vokales und instrumentales Musizieren, Tanzen, RhythmikMB, Elementares Musizieren, Performance-Formate, Musikvermittlung, Community Music, Community Dance und alle mit Musik zusammenhängenden Künste.
Das Impulspapier beschreibt die grundsätzliche Leitidee zu inklusivem Musikmachen, führt aus, wie diese umgesetzt werden kann, schreibt Ziele fest und folgert schließlich, dass das in der Inklusion geforderte gemeinsame Lernen ein wesentlicher Baustein für eine soziale, durch Mitmenschlichkeit geprägte, gesellschaftliche Entwicklung ist.
In zahlreichen Online-Treffen, denen seit dem Frühjahr 2021 auch zwei Musiker*innen mit Behinderung angehören, wurde das Impulspapier erstellt und eine Kurzversion in Einfacher Sprache sowie eine englische Übersetzung verfasst. Seit Mai 2021 ist die Interessengemeinschaft MUSIK INKLUSIV Mitglied im Österreichischen Musikrat (ÖMR).
© igmi 2022
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